Hamburg stellt sich seiner Verantwortung als „Kolonialmetropole des Kaiserreiches“

Hamburg stellt sich seiner Verantwortung als „Kolonialmetropole des Kaiserreiches“

Eine Ringvorlesung an der Universität Hamburg stellt die wissenschaftliche Aufarbeitung des kolonialen Erbes der Stadt dar

Sommersemester 2016

Der Senat hat 2014 die wissenschaftliche Aufarbeitung des kolonialen Erbes in Hamburg beschlossen. Ein Baustein dazu ist eine zwölf Veranstaltungen umfassende Ringvorlesung an der Universität Hamburg, die am 20. April 2016 beginnt: „Hamburg: Deutschlands Tor zur kolonialen Welt – Über den Umgang mit einem schwierigen Erbe.“ Damit präsentiert die neu eingerichtete Forschungsstelle „Hamburgs (post)koloniales Erbe / Hamburg und die frühe Globalisierung“ der Universität Hamburg erste Ergebnisse ihrer Arbeit. Die Kulturbehörde, die Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung, die Senatskanzlei sowie die Körber-Stiftung und die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius ermöglichen das Forschungsprojekt.

Im Rahmen der öffentlichen Ringvorlesung soll die Hamburger Kolonialgeschichte unter der Leitung von Prof. Jürgen Zimmerer wissenschaftlich aufgearbeitet und Themen und Probleme der Auseinandersetzung mit dieser schwierigen Vergangenheit diskutiert werden.

Kultursenatorin Prof. Barbara Kisseler: „Hamburgs Geschichte als Handelsmetropole ist eng mit dem deutschen Kolonialismus verknüpft. Die Stadt stellt sich heute ihrer in dieser Hinsicht problematischen Vergangenheit. Die Einrichtung der Forschungsstelle ‚Hamburgs (post)koloniales Erbe / Hamburg und die frühe Globalisierung‘ war der erste Schritt, jetzt können erste Ergebnisse in der federführend von Prof. Jürgen Zimmerer betreuten Ringvorlesung beleuchtet werden. Ich danke der ZEIT-Stiftung und der Körber-Stiftung, die beide mit signifikanten Förderungen unsere Forschungen unterstützen.“

Katharina Fegebank, Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung: „Hamburg ist eine der ganz wenigen Städte Europas und die einzige in Deutschland, die ihre koloniale Vergangenheit systematisch wissenschaftlich aufarbeitet. Der renommierte Historiker Prof. Jürgen Zimmerer von der Universität Hamburg untersucht mit seinem kritisch fundierten Ansatz die Rolle Hamburgs als Metropole, die stark vom Kolonialismus profitiert hat. Dass die ersten Forschungsergebnisse nun allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern in einer öffentlichen Ringvorlesung vorgestellt werden, ist ein wichtiger Beitrag für die Erinnerungskultur in unserer Stadt. Und zeigt, wie wichtig die Hochschulen und insbesondere die Geisteswissenschaften für die Aufarbeitung und die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte sind.“

Prof. Dr. Michael Göring, Vorstandsvorsitzender der ZEIT-Stiftung, unterstreicht: „Der ZEIT-Stiftung ist die kritische Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe Hamburgs wichtig. Sie leistet deshalb eine Anschubfinanzierung für die Arbeit der Forschungsstelle. Insbesondere unterstützt sie das Projekt ‚Visualisierung des Kolonialen‘. In Kooperation mit dem Museum für Völkerkunde bearbeiten zwei auf dem Gebiet der postkolonialen Geschichte ausgewiesene Wissenschaftlerinnen die Fotografien zur deutschen Kolonialgeschichte in Afrika. Diese museale Erschließung sowie die historische Kontextualisierung der Bilder sichern wichtige Quellen für die Geschichtswissenschaft – so kann der Stadt Hamburg ihre koloniale Vergangenheit bewusst gemacht werden.“

Prof. Dr. Jürgen Zimmerer: „Die Entscheidung des Hamburger Senats, das koloniale Erbe der Hansestadt aufzuarbeiten, analog zu den Inititiativen zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus in den 1980er Jahren, ist europaweit einzigartig. Es macht Hamburg zu einem führenden Platz postkolonialer Forschung in der Welt. Unsere Forschungsstelle unterstützt die Erarbeitung eines gesamtstädtischen, postkolonialen Erinnerungskonzeptes mit ihrer historischen Expertise. Mit unserer Ringvorlesung wollen wir in das Thema einführen und unseren Zugang erläutern. Besonders freut es uns, dass wir Referierende aus Windhoek und Dar es Salaam gewinnen konnten, ihre Perspektive und Erfahrungen mit uns zu teilen.“

Die Ringvorlesung ist ein wichtiger Teil der intensiven Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe Hamburgs. Weitere Elemente der wissenschaftlichen Aufarbeitung sind unter anderem eine wissenschaftliche Tagung Ende 2016 / Anfang 2017, bei der die Thematik mit Partnern aus Tansania, anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und engagierten Gruppen diskutiert werden soll, weiterhin ein Tandempromotionsprogramm zwischen den Universitäten Dar es Salaam und Hamburg, das seit 2015 für zunächst drei Jahre die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Universitäten der Partnerstädte verstärkt. Jeweils eine Doktorandin oder ein Doktorand aus Hamburg und Tansania arbeiten im Rahmen von Dissertationen die deutsch-tansanische Geschichte wissenschaftlich auf. Außerdem ist eine stärkere Akzentuierung der kolonialen Vergangenheit in geeigneten städtischen Institutionen, insbesondere in den Museumssammlungen und in Darstellungen der Hamburger Stadtgeschichte, geplant.

Ringvorlesung Hamburg: Deutschlands Tor zur kolonialen Welt. Über den Umgang mit dem schwierigen Erbe Universität Hamburg

WANN 20. April bis 13. Juli 2016 – mittwochs, 18 bis 20 Uhr

WO Von-Melle-Park 6, Phil C – Universität Hamburg

Eintritt frei, Anmeldung nicht erforderlich

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Termine im Überblick

20.04.2016
Von den ‚Askari-Reliefs‘ zur Speicherstadt – Postkoloniale Erinnerung in Hamburg
Prof. Dr. Jürgen Zimmerer, Fachbereich Geschichte, Arbeitsbereich Globalgeschichte, Universität Hamburg

27.04.2016
Anerkennung und Entschuldigung – Die außenpolitische Dimension postkolonialer Erinnerung
Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin a. D., Wiesbaden

04.05.2016
Deutsche Sklavenhändler der Atlantic Slavery
Prof. Dr. Michael Zeuske, Historisches Institut, Iberische und Lateinamerikanische Abteilung, Universität zu Köln

11.05.2016
Memorial Cartographies and Traveled Objects: Vestiges of Colonial Atrocities in a Namibian Landscape
Dr. Memory Biwa, Archive and Public Culture Research Initiative, University of Cape Town

25.05.2016
Der Hamburger Hafen in Welthandel und Globalisierung
Prof. Dr. Dirk van Laak, Historisches Institut, Arbeitsbereich Zeitgeschichte, Justus-Liebig-Universität Giessen

01.06.2016
Liberaler Rassismus – Der Altonaer Kaufmann Heinrich Witt und die (post-)koloniale Welt des 19. Jahrhunderts
Prof. Dr. Ulrich Mücke, Fachbereich Geschichte, Arbeitsbereich Globalgeschichte, Universität Hamburg

08.06.2016
Hamburg und die Gründung des deutschen Kolonialreichs unter Bismarck
Kim Sebastian Todzi, M. A., Fachbereich Geschichte, Arbeitsbereich Globalgeschichte, Universität Hamburg

15.06.2016
Vom Hamburger Kolonialinstitut zur Universität
Prof. Dr. Rainer Nicolaysen, Leiter der Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte, Universität Hamburg

22.06.2016
Europa oder China – wo liegt die Mitte der Welt? Ethnozentrische Borniertheit und ihre Überwindung
Prof. em. Dr. Wolfgang Reinhard, Historisches Seminar, Arbeitsbereich Neuere Geschichte, Albert-Ludwigs
-Universität Freiburg

29.06.2016
Das postkoloniale Erbe der Hafencity
Tania Mancheno, Dipl.-Pol., Universität Hamburg

06.07.2016
Die Dekolonisierung des Stadtbildes: Straßennamen zwischen Kolonialnostalgie und Perspektivumkehr
Joshua Kwesi Aikins, Abteilung Geschichtswissenschaft, Bielefeld Graduate School in History and Sociology, Universität Bielefeld

13.07.2016
Postcolonial Memory: A Shared Legacy: Tanzania-Germany
Prof. Oswald Masebo, Ph.D., Department of History, University of Dar es Salaam

Koordination
Prof. Dr. Jürgen Zimmerer / Kim Sebastian Todzi, M. A., beide Fachbereich Geschichte, Arbeitsbereich Globalgeschichte, Universität Hamburg